Haiti: Humanitäre Katastrophe und politisches Chaos

Viele Häuser wurden durch den Hurricane Matthew im Jahr 2016 zerstört. Foto: Arche Nova/AWO International

„Es macht schwer betroffen, über diese Umstände zu hören“, so gibt Helmut Hamsen, AWO-Kreisvorsitzender Münster, nach einem Vortrag beim AWO-Ortsverein Mitte seinen persönlichen Eindruck über die desolaten Verhältnisse in Haiti wieder.

Heiner Rosendahl, der jahrelang in Haiti für die Vereinten Nationen gearbeitet hat und immer noch über intensive Kontakte zu den Menschen auf der Karibikinsel verfügt, hatte vor interessierten Zuhörer:innen über seine Erfahrungen berichtet.

Rosendahl streifte die Jahrhunderte seit der Entdeckung Haitis durch Columbus. Er berichtete über die Anfänge der Kolonialzeit, der Sklavenbefreiung und Unabhängigkeit ab Anfang des 19. Jahrhunderts sowie über die Entwicklung in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts. Die letzten 30 Jahre bis zu den heutigen politischen Umständen schilderte er so: „Die staatlichen Strukturen sind in Auflösung, die Regionen des Landes werden von bewaffneten Banditen terrorisiert. Der größte Teil der etwa 12 Millionen Haitianer weiß morgens nicht, ob es etwas zu essen gibt und die armen Familien können das Schulgeld für ihre Kinder nicht aufbringen.“

Auch in der Zeit des großen Erdbebens vor gut zehn Jahren war Heiner Rosendahl in Haiti und er konnte aus eigenem Erleben über die vielen Todesopfer und die enormen Schäden an Gebäuden und an der gesamten Infrastruktur berichten. Zwar sei die internationale Katastrophenhilfe schnell angelaufen und die Hilfsbereitschaft sei groß gewesen. Aber viele Zusagen mit Milliardenbeträgen seien oft nicht eingelöst worden. „Am wirkungsvollsten waren noch kleine Initiativen und Projekte vor Ort und sogenannte NGOs. Aber es fehlte eine ausreichende staatliche Struktur“, so Rosendahl.

Heute sei Haiti politisch völlig destabilisiert und der Staat nicht mehr durchsetzungsfähig: Der letzte Präsident wurde ermordet, ein Parlament ist faktisch nicht vorhanden, Polizei und Justiz lösen sich auf.

Abschließend wurde die Frage diskutiert, ob und wie in einer solchen Lage humanitäre Hilfen möglich sind oder ob nicht zuvor durch eine internationale Ordnungsmacht für die Bevölkerung zumindest ein Mindestmaß an Sicherheit vor terrorisierenden Banden und Cliquen geschaffen werden müsse. Für Helmut Hamsen steht fest: „Auch wenn es aktuell keine Perspektive für eine nachhaltige Problemlösung gibt: Wir dürfen die Menschen in Haiti nicht einfach vergessen!“